Eine Geschichte für Dich - NECHSNEM

Veröffentlicht am 7. September 2024 um 17:01

Es war einmal ein kleines Mädchen, ihr Name war Ibag. Ibag wuchs auf wie viele Kinder
ihrer Zeit. Sie war ein fröhliches Kind. Sang viel und wusste genau was sie einmal tun wollte
wenn sie groß war. Sie wollte mit Kindern arbeiten als Entwicklungshelferin oder in einem
SOS Kinderdorf.

Den Traum vom Prinzen der sie Rettet träumte sie nie. Sie liebte Märchen, ganz besonders die
von Sterntaler und der kleinen Meerjungfrau.
Sie war wie ein Wiesenkobold, liebte es im Matsch zu spielen, mit ihrem Fahrrad durch die
Wildnis zu reiten und Abenteuer im Sumpf zu bestehen. Sie liebet den Wald. Den Geruch, das
Licht. Die Beeren und Pilze die in ihm wuchsen.

Aber sie war im Körper eines Nechsnem geboren und musste in die Schule gehen. „Damit
etwas wird aus dir.“ Sagten die Nechsnem die sie Vater und Mutter nannte. Ibag musste viele
Werte und Normen der Nechsnem lernen und so geschah es das sie lernte wie diese
gemeinsam tanzten. Allerdings zu einem hohen Preis. Sie vergas wie ihr eigener Tanz aussah.
Bei einem dieser Tänze traf sie einen jungen Mann. Gerade einmal 15 Jahre war sie alt. Er
schenkte ihr sehr viel Zeit, brachte ihr fast täglich Geschenke. Sagte ihr Dinge die sie zuvor
von ihrem Vater noch nie gehört hatte. Sie sahen sich täglich, tanzten viel, beide noch Kinder,
jeder auf der Suche nach der Erfüllung seines Traums. Durch den gemeinsamen Tanz meinten
sie, dass sie einen gemeinsamen Traum hatten und so zogen die Jahre in Land.
Ibag vergas gänzlich auf den Traum den sie als Kind träumte, nur selten schlich er sich vor
ihre Tür, schnell war er vertrieben. Denn sie hatte gelernt zu denken wie die Nechsnem.
Der Mann an ihrer Seite war höflich, strebsam, sagte ihr noch immer wunderbare Dinge, trank
nicht und trieb sich nicht mit anderen Frauen herum. Bis auf einmal doch das hatte sie ihm
verziehen. Ihre Eltern mochten ihn. Für sie war er der Prinz für ihre kleine Prinzessin.
Nur, sie war keine Prinzessin! Sie war ein Wiesenkobold und ein Naturgeist. Doch das
wussten die Eltern von Ibag nicht, sosehr waren sie in ihrem Nechsnemleben gefangen.
Um ihren Eltern zu gefallen lebte Ibag die Werte ihrer Eltern. Blieb bei dem Mann, baute ein
Haus, investierte Geld (das hat bei den Nechsnem sehr hohen Stellenwert und muss immer
mehr werden).

Nach zehn Jahren erwartete Ibag selbst ein Kind und als es geboren war meinten die
Nechsnem um Ibag, „Jetzt wo ein Kind da ist und sie schon so viele Jahre mit dem selben
Mann lebt könne sie doch endlich Heiraten.“

Der Mann an ihrer Seite sagte nicht mehr so oft die wunderbaren Worte von früher, er
verbrachte auch nicht mehr so viel Zeit mit ihr. Er musste Arbeiten! Auch die Geschenke
wurden weniger. Aber er war immer noch zuvorkommend, trank nicht, hatte gute Arbeit und
traf sich nicht mit anderen Frauen. Also heiratete sie ihn. Denn ein weiterer wichtiger Wert
der Nechsnem ist, neben dem Geld und den Dingen die man dafür kaufen kann, es verheiratet
zu sein.

Geld hatten die beiden reichlich. Ein Haus wurde gebaut und von einem Architekten geplant
der aus einer weitentfernten Provinz kam. Die Küche gar aus einem anderen Land gebracht.
Nichts in dem Haus war wie es in anderen Häusern war. Vieles aus ökologischen
Gesichtspunkten gebaut. Was sehr modern, fortschrittlich und kostspielig war.
Vor lauter Mühen und Arbeit tanzten Ibag und ihr Mann nicht mehr miteinander. Jeder für
sich, setzte all seine Kraft für die Errichtung des Hauses ein und schuftete für die Werte der
Nechsnem die in dem Land in dem sie wohnten wichtig waren.
Ibag wurde immer elender. Sie war einsam geworden. Nicht an Nechsnem oder Dingen davon
hatte sie reichlich. Sie war einsam mit ihren Gedanken, mit ihren Ideen. Niemand war da mit
dem sie diese hätte teilen können.
Manchmal geschah es das sie auf einem Ball mit ihrem Mann tanzen sollte. Sie versuchten bei
diesen Gelegenheiten den gemeinsamen Tanz ihrer Jugend zu tanzen, doch es gelang ihnen
nicht mehr. Ibag zog sich immer mehr zurück. Sie versperrte das Haus und verkroch sich
unter Decken. Sie sprach kaum mehr, wenn sie unter die Nechsnem ging verstand sie deren
Sprache nicht mehr.
Sie lächelte und versuchte weiterhin die Werte den Nechsnem hoch zu halten, innerlich
weinte sie bittere Tränen.
Der Mann an ihrer Seite sagte die wunderbaren Worte schon lange nicht mehr und war auch
nicht mehr zuvorkommend. Immer öfter kritisierte er an ihr herum, er begann auch wie viele
Nechsnem Dinge zu trinken die ihre Sinne vernebeln. Wahrscheinlich traf er sich auch mit
anderen Frauen.
All das sahen die Nechsnem nicht. Sie konnten nur das sehen was Ibag und ihr Mann
aufgebaut und angeschleppt hatten. Sie wurden regelrecht beneidet, für viele waren sie ein
Vorbild in der Welt der Nechsnem.
Ibag weinte immer öfter, unfähig irgendetwas zu empfinden, traf sie einem wundersamen
Mann. Sein Erscheinungsbild passte gar nicht in die Welt der Nechsnem. Von ihm ging etwas
Magisches aus. Er besaß nichts was in der Welt der Nechsnem von Bedeutung war. Sein
Aussehen stieß viele Menschen ab. Er lebte zurückgezogen am Rande der Gesellschaft und
trotzdem breitete sich so viel Licht, Kraft und Liebe um ihn herum aus. Er verstand es den
Wiesenkobold in Ibag zu erkennen und den Naturgeist zu wecken der so lange in ihr
geschlafen hatte.
Als sich Ibag an ihre eigentliche Natur erinnerte und erkannte, dass sie nur in diesem Sein
zufrieden sein konnte, verließ sie ihren Mann. Sie ließ all das Geld und all die Dinge die sie in
Ihrer Ehe angehäuft hatte zurück. Sogar ihr Kind ließ sie bei seinem Vater das inzwischen
fünfzehn Jahre alt war.
Sie zog mit dem wundersamen Mann an die Rand der Gesellschaft wo sie noch heute lebt.
Viele Nechsnem wandten sich von ihr ab als sie erfuhren was sie getan hatte. Jeden Tag
entdeckt sie etwas Neues in ihrer Koboltseele. Egal wie sehr der Wiesenkobold auch
herumhüpft, der wundersame Mann sagt ihr mehrmals täglich „Ich liebe Dich! Ich liebe Dich,
Ibag, Dich mit deiner Wiesenkoboltseele. Spring nur, sei wild und tanze!“
Und so lernt Ibag jeden Tag etwas besser, ihren eigen Tanz mit dem des wundersamen
Mannes zu leben.

 

Gabi, 5.12.2014